Beschreiben Verstehen Beherrschen

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Beschreiben ist nicht verstehen

Die Naturwissenschaften versuchen, unsere Wirklichkeit zu verstehen und sie zu erklären. Schaut man sich aber ihre Ergebnisse und Theorien an, so kommen sie in in vielen Fällen nicht über ein umständliches "Beschreiben" hinaus. Beobachtungen werden in mehr oder weniger komplizierter Sprache wiedergegeben - ohne tieferes Verstehen werden plausible Geschichten erzählt.

Trotzdem versucht die Wissenschaft den Eindruck zu erwecken, sie würde die Dinge verstehen, mit denen sie hantiert und gibt uns Ratschläge, wie wir Gesellschaft und Leben gestalten sollten. Der Einfluss der Naturwissenschaften auf unsere modernen Gesellschaften ist gewaltig.

Es lässt sich nicht leugnen, dass wir ihnen eine Menge Ideen und Erkenntnisse verdanken. Durch die Entwicklung immer feinere Instrumente haben sie es uns ermöglicht, die Wirklichkeit weit über unsere biologischen Fähigkeiten hinaus wahrzunehmen und zu manipulieren: Strahlen machen das innere von Objekten sichtbar, Teleskope können in unendliche Fernen blicken und Mikroskope lassen uns die Welt im Kleinen sichtbar werden. In der Beobachtung und Diagnostik sind wir weit fortgeschritten.

Den Naturwissenschaften gelang und gelingt es, auf allen Ebenen der Wirklichkeit ungezählte Regelmäßigkeiten und Strukturen aufzudecken und in zählbaren Gesetzesmäßigkeiten zu formulieren. Diese "Natur"-Gesetze machen es scheinbar möglich, die Zukunft vorherzusagen und damit die Wirklichkeit der Gegenwart zu beherrschen. Katastrophen lassen sich vermeiden und Glück lässt sich gezielt gestalten.

Erklären ist nicht wollen

Doch wer trifft die Unterscheidung, was Katastrophe - was Glück ist? Etwas zu verstehen bedeutet nicht, es gut zu heißen. Wir verstehen, dass ein Löwe als Fleischfresser andere Tiere jagen muss. Trotzdem tun wir alles, um nicht selbst zur Nahrung eines Löwen zu werden. Oft hören wir, Menschen würden Erkenntnisse ablehnen, weil sie ihnen nicht richtig erklärt würden. Man habe sie nicht richtig kommuniziert. Oder man wertet Menschen als dumm, borniert oder verrückt ab, wenn sie den wissenschaftlich, rationalen Erklärungen einfach nicht folgen wollen.

Technokraten und Wissenschaftler unterschätzen, dass sich ihre Beobachtungen und Erklärungen im Allgemeinen vollkommen außerhalb der Lebenswelt der meisten Menschen bewegen. Unsere individuellen Erfahrungen, unser Wissen und unsere Wertmaßstäbe orientieren sich weder an Statistiken noch an Differenzialgleichungssystemen höherer Ordnung. Sie orientieren sich an den unzähligen persönlichen Glücks- und Schmerzerfahrungen die wir in unserem Leben sammeln und aus denen sich unser Wollen und Nichtwollen entwickelt. Und es ist dieses Wollen, dass bestimmt, welchen Erklärungen wir folgen und welchen nicht!

Dies gilt auch für Wissenschaftler. Warum glauben besonders viele Physiker an eine wunderbare Zukunft mit Fusionsreaktoren? Warum sind es Biochemiker, die uns die Vorzüge der Biotechnologie erklären und Informatiker, die uns das Paradies mittels künstlicher Intelligenz versprechen? Sie alle haben rationale Argumente für ihre irrationalen Wünsche und Hoffnungen.

Und das ist o.k. - solange sie Erklärung und Wollen auseinander halten. Doch das tun viele nicht. Sie wollen ihre Vorstellungen von Glück und Verheißung mit aller Macht durchsetzen - weil sie sich im Recht FÜHLEN. Auch das wäre kein Problem, ginge es Wissenschaftlern so, wie normalen Menschen: Sie müssten mühsam eine gesellschaftliche Mehrheit für ihre Ideen schaffen, damit sie sich verbreiten und allgemein anerkannt werden. Doch einige Wissenschaftler haben gegenüber normalen Menschen einen großen Vorteil. Sie handeln mit einer sehr gefragten Währung: MACHT. Sie verfügen über Erkenntnisse und Wissen, mit deren Hilfe Andere zu grenzenloser Macht gelangen können. Und das erlaubt ihnen, gesellschaftliche Abkürzungen zu nehmen. Sie wenden sich an die herrschenden Eliten in Politik und Wirtschaft, versprechen ihnen neue Instrumente der Macht und Herrschaft und erhalten so - unabhängig von gesellschaftlichen Mehrheiten - die notwendige Aufmerksamkeit der Herrschenden.

Wer beherrscht wen?

Doch mit der Vorhersagbarkeit der Zukunft ist es nicht weit her. Die Planung der Welt gestaltet sich weit schwieriger, als es uns viele Experten weismachen wollen. Die Welt ist noch immer weit komplexer als wir es uns mit all unseren technischen Möglichkeiten eingestehen mögen und alle Berechnung schützt uns nicht vor großen Krisen. Wir wissen eben nicht nur nicht alles - wir wissen nach wie vor fast nichts!

Und auch mit der Beherrschung der Zukunft will es nicht so recht klappen - können wir uns doch nicht einmal selbst zuverlässig "beherrschen". Zwar gibt uns die Technik heute eine unvorstellbare Macht - doch scheitert sie immer wieder an scheinbar läppischen Hindernissen. Raumschiffe explodieren, Züge entgleisen, Bakterien werden immun gegen unsere wunderbaren Medikamente und ganze Gesellschaften kollabieren ohne dass dies irgend ein Experte vorhersagen konnte. Immer wieder müssen wir uns eingestehen, doch nicht alles verstanden - Details übersehen oder unterschätzt zu haben - oder schlicht mit der Fülle der Wechselwirkungen überfordert zu sein, trotz aller Tools und Hilfsmittel.

All das wäre nicht weiter schlimm und könnte unter allgemeinem Lebensrisiko abgebucht werden, würden Nutzen und Lasten aus den Folgen der Naturwissenschaften und Technik nicht so ungleich auf den Schultern der Menschheit verteilt. Der Wille zur Beherrschung der Natur geht meist einher mit dem Willen zur Beherrschung von Menschen. Bezahlen tun nur selten die Professoren und Ingenieure, Investoren und Entwickler, sondern die Menschen am unteren Ende der sozialen und intellektuellen Hierarchie. Sie verhungern, werden langsam vergiftet oder von "intelligenten" Waffen zerfetzt, müssen modernen Industrieanlagen weichen oder werden um ihre natürliche Lebensgrundlage betrogen. Trotz Roboter müssen Milliarden Menschen unter unsäglichen Bedingungen gefährliche und zermürbende Arbeiten leisten. Trotz "chirurgischer" Waffensysteme sterben in jedem modernen Krieg viel mehr Zivilisten als Soldaten. Trotz Biotechnologie hungern nach wie vor Millionen Menschen auf diesem Planeten.

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