Ingenieurmangel

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Anmerkungen zu einem Artikel in den VDI-Nachrichten vom 21. September 2007

Unter dem Titel "Viel zu wenig Nachwuchs" [1] wird über die OECD-Studie "Bildung auf einen Blick 2007" berichtet.

Wieder einmal wird von deutschen Entscheidungsträgern das geringe Interesse am technischen Studium beklagt. Gründe werden reichlich präsentiert: mangelnde Vermittlung von Technik in der Schule, geringer gesellschaftlicher Status der Ingenieure, zu wenig Geld an den Universitäten usw. usw.

Die schon etwas Älteren unter uns dürften ähnliche Phrasen aus den 80iger Jahren bekannt sein. Es war die Zeit in der Politiker wie Lothar Späth das Wort "Innovation" permanent im Munde führten und in jedem kleinen Städtchen ein Technologiepark aus dem Boden schoss. Auch da wurde schon einmal der zu geringe Ingenieurnachschub festgestellt. Es folgten Wiedervereinigung, Internethype und Internetblase, Privatisierungswellen und Globalisierung. In diesen "dynamischen" Zeiten verloren viele Menschen zunehmend an Orientierung. Auch Ingenieure mussten feststellen, dass sie nicht automatisch "marktfähig" waren. RWE schickte Mitarbeiter mit gerade mal 50 Jahren in den Vorruhestand. Viele Unternehmen bauten massiv Stellen ab und verlegten Produktionsstätten ins Ausland. Alles in allem ein Klima, dass dem Einzelnen vermittelte: Nur der Beste kriegt die Reste - alle Andern dürfen wandern!

Und dieses Klima wird sich auch nicht von heute auf morgen ändern. Die Unternehmen sind von einem jahrelangen "Arbeitgebermarkt" verwöhnt. Personalkosten wurden systematisch heruntergefahren, auch bei Ingenieuren. Um jetzt die notwendigen Kapazitäten aus den nationalen Ressourcen zu decken, müsste man ältere Ingenieure reaktivieren und in deren Weiterbildung investieren. Gleichzeitig müsste verstärkt Geld in die Ausbildung junger Ingenieure gesteckt werden. Dieses Geld möchte man sich sparen und die Industrieverbände drängen die Regierung, die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland zu erleichtern.

Die Diskussionen und die oft hilflosen Appelle von Gewerkschaften und Politik zeigen, dass man hier noch immer nicht begriffen hat, wie Unternehmenslenker ticken. Wer Investitionen nur tätigt, wenn sein Geld nach max. einem Jahr wieder zurückgeflossen ist, der wird keinen Euro in die Ausbildung von Mitarbeitern stecken - denn die braucht, auch bei Überfliegern, immer mehrere Jahre bis sie Früchte trägt. Die Folgen dieses kurzfristigen Erfolgsdenkens, von dem weite Teile der Wirtschaftselite befallen sind, ist eine zunehmende Desillusionierung der Menschen in unserer Gesellschaft.

Man signalisiert dem Nachwuchs: entweder du bist exzellent, hast so schnell wie möglich Erfolg oder wir brauchen dich nicht! In den letzten Jahren tönen aus den Medien immer drängender die Forderungen, Alles zu geben, ein Leben lang zu lernen und sich einem permanenten Wettbewerb zu stellen. Dabei wird völlig verkannt, dass die meisten Menschen diesen Ansprüchen garnicht genügen, egal wie sehr sie sich abstrampeln. Welche Perspektive gibt man denen? Nicht jeder Ingenieur kann und will eine Führungskraft werden. Aber er will seinen Job machen und dafür ein wenig Respekt erhalten. Genau dieser Respekt wird aber immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft vorenthalten.

Die Industrie klagt über schlecht ausgebildete Schulabgänger - und signalisiert ihnen damit: ihr taugt nichts! Dabei wird man den Eindruck nicht los, dass viele "Entscheider" garnicht wissen, wovon sie reden. Wer so fachlich überladene Berufsbilder wie den Mechatroniker entwickelt, muss sich nicht wundern, wenn es nur Wenige gibt, die die Voraussetzungen für einen solchen Beruf mitbringen. Viele Fachleute vergessen, dass sie einen großen Teil ihrer Erfahrungen in langen Jahren sammeln durften. Ein Schulabgänger vor 30 Jahren konnte noch ohne Computerkenntnisse einen Beruf als Maschinenschlosser ergreifen - heute bejammert man die mangelnden schulischen Voraussetzungen, wenn er nicht programmieren kann.

Anstatt zu klagen, wäre es Zeit, die Forderungen auf ein menschliches Maß zu reduzieren, den Mitarbeitern - vorhandenen und zukünftigen - ein Minimum an Respekt entgegen zu bringen und Rahmenbedingungen in Ausbildung und Unternehmen zu schaffen, in denen wirkliche Menschen miteinander etwas schaffen können. Dann klappt's auch mit dem Ingenieur.

Siehe auch Respekt - ein unterschätztes Bedürfnis

Stand 7.1.2008 - inzwischen begreifen es auch Andere, wie ein Artikel aus der Wirtschaftswoche zeigt: [2]

2014

Das Märchen vom Fachkräftemangel lebt immer noch:

https://www.youtube.com/watch?v=lFq2aAcf-8s

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