Technologie als Feind der offenen Gesellschaft

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(Hermetische Gesellschaft trotz technologischem Fortschritt)
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Nach dem Selbstverständis der westlichen Industrieländer sind deren Gesellschaften offen. Das heißt, sie geben dem "Neuen" und unbekannten, dem [[Differenz|Fremden]] und der Veränderung Raum. Sie lassen es zu, dass der Einzelne aus der Konformität der Tradition und der von der gesellschaftlichen Mehrheit getragenen [[Benehmen|Verhaltensregeln]] ausbricht und eigene Wege erkundet.
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Nach dem Selbstverständis der westlichen Industrieländer sind deren Gesellschaften offen. Das heißt, sie geben dem "Neuen" und unbekannten, dem [[Differenz|Fremden]] und der Veränderung Raum. Sie lassen es zu, dass der Einzelne aus der Konformität der Tradition und der von der gesellschaftlichen Mehrheit getragenen [[Gutes Benehmen|Verhaltensregeln]] ausbricht und eigene Wege erkundet.
Voraussetzung für offene Gesellschaften ist deshalb nicht etwa allein ein demokratisches - d.h. mehrheitsbestimmtes - politisches System, sondern sie erfordert einen Rechtsrahmen außerhalb des Zugriffs durch die gesellschaftliche Mehrheit, die jedem Einzelnen und jeder Minderheit verbindliche Rechte zugesteht - eine Verfassung, die die universellen Rechte des Einzelnen sicher stellt.
Voraussetzung für offene Gesellschaften ist deshalb nicht etwa allein ein demokratisches - d.h. mehrheitsbestimmtes - politisches System, sondern sie erfordert einen Rechtsrahmen außerhalb des Zugriffs durch die gesellschaftliche Mehrheit, die jedem Einzelnen und jeder Minderheit verbindliche Rechte zugesteht - eine Verfassung, die die universellen Rechte des Einzelnen sicher stellt.

Version vom 08:08, 21. Apr. 2022

Unsere modernen Zeiten offenbaren eine zunehmende Inkompatibilität von Technologie und offener Gesellschaft, wie sie Karl Popper in seinem Werk "die offene Gesellschaft und ihre Feinde" beschrieben hat. Fortschrittliche Technologie benötigt Kapital und Macht. Damit sind ihre Voraussetzungen bereits zutiefst undemokratisch. Gleichzeitig fördert Großtechnik konzentrierte Macht in Massengesellschaften. Zentralistische Informationssteuerung, Infrastruktur und Produktionsanlagen lassen sich auch ohne demokratische Strukturen - nur mit wenigen Menschen - steuern, überwachen und erweitern. Algorithmen erlauben es, Entscheidungen im Sinne der Machthaber ohne "unvollkommene" Menschen zu treffen. Allein der Wille der Wenigen zählt.

Was ist eine offene Gesellschaft?

Nach dem Selbstverständis der westlichen Industrieländer sind deren Gesellschaften offen. Das heißt, sie geben dem "Neuen" und unbekannten, dem Fremden und der Veränderung Raum. Sie lassen es zu, dass der Einzelne aus der Konformität der Tradition und der von der gesellschaftlichen Mehrheit getragenen Verhaltensregeln ausbricht und eigene Wege erkundet.

Voraussetzung für offene Gesellschaften ist deshalb nicht etwa allein ein demokratisches - d.h. mehrheitsbestimmtes - politisches System, sondern sie erfordert einen Rechtsrahmen außerhalb des Zugriffs durch die gesellschaftliche Mehrheit, die jedem Einzelnen und jeder Minderheit verbindliche Rechte zugesteht - eine Verfassung, die die universellen Rechte des Einzelnen sicher stellt.

Doch gleichzeitig muss sie die Mehrheit vor der Willkür von mächtigen Individuen mit eigenen Interessen geschützt werden.

Und hier beginnt das Problem: wie lässt sich die neugierige Erkundung neuer Lebens- und Denkweisen Einzelner unterscheiden von der Gängelung der Mehrheit durch mächtige Eliten, die ihre Agenda einer Gesellschaft aufdrücken wollen? Gefährdet der Punker die Gesellschaft oder befruchtet er sie? Treibt ein Jeff Bezos die Gesellschaft zu neuen Ufern oder manipuliert er sie zum eigenen Nutzen?

Hermetische Gesellschaft trotz technologischem Fortschritt

Technologischer Fortschritt ist nicht zwangsläufig mit einer Liberalisierung der Gesellschaft gekoppelt. Mit Hilfe von Technologien lassen sich Gesellschaften gegen fremde Einflüsse abschotten und Gedanken, Ideen und Meinungen lassen sich durch moderne Kommunikationstechnologien synchronisieren und von Unerwünschtem abgrenzen.

Das funktioniert nicht nur in despotisch geführten Ländern, sondern auch in den vermeintlich offenen Gesellschaften. Die Flüchtlingskrise 2015, die Corona Pandemie seit 2020 haben gezeigt, dass offene Gesellschaften auch den Weg der Ausgrenzung einschlagen können. Und es ist schwer für die Ausgegrenzten, sich Gehör und Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Aktuell (2022) beweist die russische Gesellschaft ihren hermetischen Charakter. Es scheint, dass in den Augen großer Teile der russischen Gesellschaft der Überfall auf die Ukraine eine notwendige Sonderoperation zur Verhinderung von Nazis und Völkermord ist. Korrekturen von außen werden durch Informationsblockaden oder -verfälschung verhindert. Und der Westen? Es wäre ein Wunder, würde er unter dem Beschuss zunehmender Kriegsrethorik offen bleiben und verschiedene Perspektiven zulassen, um sie in seinen Abwägungsprozessen zu berücksichtigen. Aktuell scheint die Entwicklung allen bisherigen Kriegen zu gleichen: der Feind ist ausgemacht - Waffen helfen - Einwände bedeuten Schwäche! Weiterso und auf sie mit Gebrüll!

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