Journalisten als Opfer des Internet?

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In den Arte-Beiträgen kommen vorwiegend Vertreter der etablierten Presse zu Wort. Sie bescheinigen sich gegenseitig ihre hohe Professionalität und ihre Verpflichtung zur Wahrheit. Allerdings tun sie dies mit der Selbstverständlichkeit von Autoritäten, deren Worte nicht anzuzweifeln sind. Nun hat der gemeine Leser aber keine Möglichkeit, diese Behauptungen zu überprüfen. Er ist also auf sein Bauchgefühl angewiesen, wenn er entscheiden muss, welchen Informationen er vertraut. Und genau das tut er. Journalismus ist vor allen Dingen eine Sache des Vertrauens und nicht der Professionalität: oder wer würde dem "professionellen" Pressesprecher der iranischen Regierung trauen?
In den Arte-Beiträgen kommen vorwiegend Vertreter der etablierten Presse zu Wort. Sie bescheinigen sich gegenseitig ihre hohe Professionalität und ihre Verpflichtung zur Wahrheit. Allerdings tun sie dies mit der Selbstverständlichkeit von Autoritäten, deren Worte nicht anzuzweifeln sind. Nun hat der gemeine Leser aber keine Möglichkeit, diese Behauptungen zu überprüfen. Er ist also auf sein Bauchgefühl angewiesen, wenn er entscheiden muss, welchen Informationen er vertraut. Und genau das tut er. Journalismus ist vor allen Dingen eine Sache des Vertrauens und nicht der Professionalität: oder wer würde dem "professionellen" Pressesprecher der iranischen Regierung trauen?
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Natürlich kann Professionalität - wenn sie verbindlichen Regeln folgt - für Vertrauen sorgen. Aber journalistische Professionalität beinhaltet eben nicht nur "Wahrheitsliebe" sondern auch die Bedienung von Neugier und Voyeurismus.  Und kann ich jemandem, der die menschliche Gier nach Voyeurismus bedient, wirklich trauen? Es gibt unzählige professionelle Presse- und Medienerzeugnisse, die sich auf die Verbreitung möglichst schriller Neuigkeiten beschränken. Worin besteht ihr Mehrwert gegenüber den unzähligen schrillen Blogs und Webseiten der Weltverbesserer, Judenhasser und Verschwörungsforscher.  
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Natürlich kann Professionalität - wenn sie verbindlichen Regeln folgt - für Vertrauen sorgen. Aber journalistische Professionalität beinhaltet eben nicht nur "Wahrheitsliebe" sondern auch die Bedienung von Neugier und Voyeurismus.  Und kann ich jemandem, der die menschliche Gier nach Voyeurismus bedient, wirklich trauen? Es gibt unzählige professionelle Presse- und Medienerzeugnisse, die sich auf die Verbreitung möglichst schriller Neuigkeiten beschränken. Worin besteht ihr Mehrwert gegenüber den unzähligen schrillen [[Gute Seiten - Schlechte Seiten|Blogs und Webseiten]] der Weltverbesserer, Judenhasser und Verschwörungsforscher.  
Denn schließlich gibt es auch viele hervorragende Seiten im Netz, die uns einen Blick auf die Welt verschaffen, den uns keine Zeitung oder Fernsehsendung bieten kann ([[Gute Seiten - Schlechte Seiten]]). Niemand hindert Journalisten daran, im Internet gut recherchierte und geschriebene Informationen zu verbreiten. Im Gegenteil: der finanzielle Aufwand zur Verbreitung von Informationen war noch nie so niedrig wie heute. Für eine Web-Site braucht es weder Druckkosten noch Vertrieb. Es braucht nur Ideen, gute Journalisten, Grafiker und Photografen.
Denn schließlich gibt es auch viele hervorragende Seiten im Netz, die uns einen Blick auf die Welt verschaffen, den uns keine Zeitung oder Fernsehsendung bieten kann ([[Gute Seiten - Schlechte Seiten]]). Niemand hindert Journalisten daran, im Internet gut recherchierte und geschriebene Informationen zu verbreiten. Im Gegenteil: der finanzielle Aufwand zur Verbreitung von Informationen war noch nie so niedrig wie heute. Für eine Web-Site braucht es weder Druckkosten noch Vertrieb. Es braucht nur Ideen, gute Journalisten, Grafiker und Photografen.
Die moderne Medienwelt - und besonders das Internet - mögen den "professionellen" Journalismus alter Schule verändern. Aber sie schaffen auch einen neuen "professionellen" Leser. Leser, die selbst in der Lage sind, Informationen zu bewerten, weiter zu forschen und Hintergründe zusammen zu tragen, denn das Internet bietet ihnen diese Möglichkeit.
Die moderne Medienwelt - und besonders das Internet - mögen den "professionellen" Journalismus alter Schule verändern. Aber sie schaffen auch einen neuen "professionellen" Leser. Leser, die selbst in der Lage sind, Informationen zu bewerten, weiter zu forschen und Hintergründe zusammen zu tragen, denn das Internet bietet ihnen diese Möglichkeit.
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=Informationsexplosion=
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Version vom 21:58, 9. Jul. 2010

Inhaltsverzeichnis

Anlass

Am 11.02.2010 wurden auf Arte verschiedene Beiträge zum Thema "Journalismus auf Abwegen" ausgestrahlt. Sie beschäftigen sich mit den Auswirkungen des Internets auf den modernen Journalismus. (Journalismus auf Abwegen). Dabei werden in den Beiträgen folgende Grundthesen vermittelt:

  • Der Journalismus der vergangenen Jahrzehnte war getragen von hoher Professionalität und einer Verpflichtung zur Wahrheit
  • Das Internet führt zu einer Informationsexplosion, dem Nutzer und Leser hilflos ausgeliefert sind
  • Im Internet tummeln sich gefährliche Gestalten, die falsche Informationen verbreiten und verwirren
  • Der Rolle des Journalisten wird nicht mehr die notwendige Wertschätzung entgegengebracht

Journalismus und Professionalität

In den Arte-Beiträgen kommen vorwiegend Vertreter der etablierten Presse zu Wort. Sie bescheinigen sich gegenseitig ihre hohe Professionalität und ihre Verpflichtung zur Wahrheit. Allerdings tun sie dies mit der Selbstverständlichkeit von Autoritäten, deren Worte nicht anzuzweifeln sind. Nun hat der gemeine Leser aber keine Möglichkeit, diese Behauptungen zu überprüfen. Er ist also auf sein Bauchgefühl angewiesen, wenn er entscheiden muss, welchen Informationen er vertraut. Und genau das tut er. Journalismus ist vor allen Dingen eine Sache des Vertrauens und nicht der Professionalität: oder wer würde dem "professionellen" Pressesprecher der iranischen Regierung trauen?

Natürlich kann Professionalität - wenn sie verbindlichen Regeln folgt - für Vertrauen sorgen. Aber journalistische Professionalität beinhaltet eben nicht nur "Wahrheitsliebe" sondern auch die Bedienung von Neugier und Voyeurismus. Und kann ich jemandem, der die menschliche Gier nach Voyeurismus bedient, wirklich trauen? Es gibt unzählige professionelle Presse- und Medienerzeugnisse, die sich auf die Verbreitung möglichst schriller Neuigkeiten beschränken. Worin besteht ihr Mehrwert gegenüber den unzähligen schrillen Blogs und Webseiten der Weltverbesserer, Judenhasser und Verschwörungsforscher.

Denn schließlich gibt es auch viele hervorragende Seiten im Netz, die uns einen Blick auf die Welt verschaffen, den uns keine Zeitung oder Fernsehsendung bieten kann (Gute Seiten - Schlechte Seiten). Niemand hindert Journalisten daran, im Internet gut recherchierte und geschriebene Informationen zu verbreiten. Im Gegenteil: der finanzielle Aufwand zur Verbreitung von Informationen war noch nie so niedrig wie heute. Für eine Web-Site braucht es weder Druckkosten noch Vertrieb. Es braucht nur Ideen, gute Journalisten, Grafiker und Photografen.

Die moderne Medienwelt - und besonders das Internet - mögen den "professionellen" Journalismus alter Schule verändern. Aber sie schaffen auch einen neuen "professionellen" Leser. Leser, die selbst in der Lage sind, Informationen zu bewerten, weiter zu forschen und Hintergründe zusammen zu tragen, denn das Internet bietet ihnen diese Möglichkeit.

Informationsexplosion

Tatsächlich haben Computer und moderne Medientechnik zu einer gigantischen Vervielfachung des Informationsflusses auf diesem Planeten geführt. Doch warum sollte dies schlecht sein? Schon immer war die Zahl der für den Einzelnen verfügbaren Informationen erheblich größer, als seine Fähigkeit, diese Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. All die ungelesenen Bücher, die nicht gesehenen Filme, die niemals angeschauten Bilder oder die nie gehörten Worte: Der Einzelne kann und konnte immer nur einen winzigen Teil des Ganzen erfassen - mit oder ohne professionellen Journalismus.

Es gehört zur allgemeinen Lebensfähigkeit eines Individuums, aus der unendlichen Menge an Informationen aus seiner Umwelt die für ihn relevanten Informationen herauszufiltern. Wir nennen dies heute "Medienkompetenz". Die heutige Informationsflut ist vor allem für die "Alten" schwierig zu beherrschen. Sie haben sich in ihrem langen Leben Strategien zum Umgang mit Informationen erarbeitet, die in Zeiten des Internet und der SMS-Nachrichten immer weniger zählen. Die neuen Generationen von Lesern und Informationsnutzern müssen und werden neue Strategien entwickeln, mit der Flut umzugehen und wie immer wird es hilfreiche "Geister" geben, die ihnen dabei helfen. Ob wir sie Journalisten nennen, Blogger oder Informationsscouts: am Ende entscheidet auch hier das Vertrauen, dass wir ihrem Urteil und ihrer Arbeit entgegenbringen, über deren Erfolg. Und die Regeln, nach denen wir entscheiden, wer vertrauenswürdig ist, müssen sich erst noch entwickeln - genau wie beim guten alten Journalismus.


GEFAHR AUS DEM INTERNET

Wer sich durch die tiefen der vernetzten Informationen bewegt, stößt zwangsläufig irgendwann auch auf sie: Seiten von Juden- und Moslemhassern, religiösen und politischen Eiferern, Verschwörungstheoretikern und Wirrköpfen aller Art. Gemein ist all diesen Gruppen eine eigenartige Beziehung zur Wahrheit. Das Maß für die Wahrhaftigkeit einer Information ist in diesen Welten die individuelle Plausibilität: wenn es mir plausibel ist, dann ist es wahr.

Damit wird die persönliche Lebensgeschichte und der eigene Welthorizont zur Grundlage der Wahrheit: ich wurde von einem türkischen Schüler verprügelt - also sind Moslems aggressiv. Die Komplexität der Wirklichkeit wird unter solchen Bedingungen natürlich vollkommen ignoriert.

Doch sind diese Webseiten deshalb eine Gefahr für unsere Gesellschaft? Zunächst einmal gehen sie in der unendlichen Flut der Informationen unter - es sei denn, sie rühren ein Bedürfnis der Menschen an. Die große Gefahr besteht deshalb nicht in der Existenz dieser Seiten, sondern in der Existenz ihrer interessierten Besucher. In so weit haben diese Seiten vielleicht sogar etwas Positives: sie stellen Seismographen für gesellschaftliche Strömungen dar - sie geben uns Einblicke in den Wahn gesellschaftlicher Gruppen.

Doch wer verhindern will, dass sich aus diesen Strömungen unaufhaltsame Fluten bilden, muss mehr tun als diese Seiten zu verbieten: warum glauben Menschen den Informationen auf diesen Seiten? Wie kann man der Wahrheit auf die Sprünge helfen?

Es ist offensichtlich, dass die alten Ideen eines der Wahrheit verpflichteten Journalismus hier nicht greifen - denn dazu müsste dieser Journalismus die Leser dieser Seiten erreichen, was er nicht tut. Und machen wir uns nichts vor: worin unterscheiden sich die Inhalte dieser Seiten von den vereinfachenden oder skandalisierenden Inhalten unser Boulevardpresse - die sich schließlich auch dem Journalismus zugehörig fühlt? Die deutsche Bildzeitung hat sich mit diesen Mitteln als "Stimme des Volkes" stilisiert - was spricht also dagegen, dass das Volk - manipuliert oder nicht - sich im Internet selbst äußert.

Der Wert des Journalismus

Im Internet ist alles umsonst - auch Informationen. Oh weh! Nun spüren auch Journalisten, dass technischer Fortschritt nicht nur die Arbeit erleichtert und Chancen bietet - nein: er entwertet auch die Dinge. Was viele Menschen bereits schmerzlich erfahren mussten, trifft jetzt auch den adligen Journalismus: Was sich vordergründig leicht produzieren lässt, verliert seinen Wert.

Mit den heutigen Mitteln der Computertechnik lassen sich Informationen ohne Zahl mit minimalem Aufwand generieren. Ob Filme, Musik, Bücher oder eben Nachrichten: alles lässt sich schnell produzieren und verbreiten - und sieht dabei auch noch gut aus! Was braucht es mehr in unserer überdrehten Industriegesellschaft, wo schon lange der Schein vor dem Sein rangiert? Das dies jetzt auch die Journalisten, Künstler und Kreativen einholt, ist nur konsequent. Andere, wie Handwerker und Industriearbeiter wissen schon lange, dass ihre Arbeit keinen "Wert" hat und arbeiten brav in 1 Euro-Jobs, wenn sie nicht - von Widerspenstigkeit getrieben - der Schwarzarbeit nachgehen.

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