Fleisch ist mein Gemüse

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Ich habe mit 16 Jahren Verspätung das Buch "Fleisch ist mein Gemüse" von Heinz Strunk gelesen. Selbst in den 70ger und 80ger Jahren in der deutschen Provinz sozialisiert, hatte ich Angst vor diesem Buch. Wie sich herausstellte, nicht unbegründet. Nein - dieses Buch ist nicht lustig. Es zu lesen war ein Horrortrip in die bundesdeutsche Vergangenheit. In die Zeit von Helmut Kohl, von Airfix-Fugzeugmodellen, von C64 und Attari, von Grilltellern und Ouzo im griechischen Imbiss, von BAB und Bots, von Diskos in evangelischen Gemeindehäusern, von vergeigten Treffen mit jungen Frauen, von einem alten Opel Kadett.

Das Buch hat mich ähnlich bewegt, wie "Ausweitung der Kampfzone" von Michel Houellebecq.

Es ist eines dieser wichtigen Bücher, die den Kriechkeller unserer Wirklichkeit ausleuchten und uns auf die verstaubten Ecken unseres Lebens aufmerksam machen. Sie öffnen die Türen zu den Zimmern unserer Wohnung, die wir den Gästen normalerweise verwehren - weil dort nicht aufgeräumt wurde oder gar eine Leiche unterm Sofa liegt. Sie relativieren die Großartigkeit der menschlichen Existenz, den technischen und kulturellen Fortschritt und unsere vermeintlich goldene Zukunft und zwingen uns, das ganze Bild zu sehen.

Sie bestätigen, dass man mit dem Unbehagen an diesen Hochglanzbildern nicht ganz falsch liegt. Und sie verweisen doch auf die tiefe Menschlichkeit, die Komik und Tragik im Banalen.


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