Fülle und Maßlosigkeit

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In dem Buch [[Mythos der Maschine]] führt [[Mumford Lewis|Lewis Mumford]] den Begriff der Fülle als eine wesentliche Charakteristik des Organischen ein. Fülle - das ist '''etwas von allem''' - im Gegensatz zur Maßlosigkeit die '''alles von etwas''' anstrebt. In der Technik ist Fülle eine seltene Erscheinung. Am ehesten findet man sie im Handwerk und in der Kunst, wo sie sich als Vielfalt kultureller Techniken zeigt, die mit den örtlichen Gegebenheiten, den kulturellen Rahmenbedingungen und den Möglichkeiten der Menschen variieren.
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In dem Buch [[Mythos der Maschine]] führt [[Mumford Lewis|Lewis Mumford]] den Begriff der Fülle als eine wesentliche Charakteristik des Organischen ein. Fülle - das ist '''etwas von allem''' - im Gegensatz zur [[die 7 Todsünden|Maßlosigkeit]] die '''alles von etwas''' anstrebt. In der Technik ist Fülle eine seltene Erscheinung. Am ehesten findet man sie im Handwerk und in der Kunst, wo sie sich als Vielfalt kultureller Techniken zeigt, die mit den örtlichen Gegebenheiten, den kulturellen Rahmenbedingungen und den Möglichkeiten der Menschen [[Evolution|variieren]].
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In der modernen industriellen Technik findet man dagegen überall das Prinzip der Maßlosigkeit: immer schneller, größer, stärker, mächtiger - immer mehr vom immer Gleichen. Gewaltige technische Systeme - maßlos in ihrer Komplexität aber starr und eindimensional was ihre Funktionen und Aufgaben betrifft. Kraftwerke, so groß, dass sie Millionen Menschen gleichzeitig mit Energie versorgen können - aber auch Millionen Menschen in direkter Abhängigkeit an sich binden. Industrieanlagen die Milliarden gleiche Hamburger produzieren - mit dem immer gleichen Geschmack für Menschen die immer mehr essen und immer weniger schmecken. Da ist kaum Platz für neue Ideen, für Variationen, für Alternativen - es sei denn, sie versprechen noch größere Systeme, noch mehr Energie, noch mehr Macht.
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In den großen zentralistischen Gesellschaften - von den Pharaonenreichen bis in unsere modernen Industriestaaten -  findet man dagegen überall das Prinzip der Maßlosigkeit: immer schneller, größer, stärker, mächtiger - immer mehr vom immer Gleichen - Standardisierung, [[Taylorismus]], strikte [[prozessorientierte|Prozesse]]. Gewaltige Bauwerke, alles vereinnahmende technische Systeme - maßlos in ihren [[Schwanz-Parade|Dimensionen]] aber starr und eindimensional was ihre Funktionen und Aufgaben betrifft. [[Vom Großen und Kleinen|Kraftwerke]], so groß, dass sie Millionen Menschen gleichzeitig mit Energie versorgen können - aber auch Millionen Menschen in direkter [[Technologie als Feind der offenen Gesellschaft|Abhängigkeit]] an sich binden. Industrieanlagen die Milliarden gleiche Hamburger produzieren - mit dem immer gleichen Geschmack für Menschen die immer mehr essen und immer weniger schmecken. Da ist kaum Platz für neue Ideen, für Variationen, für Alternativen - es sei denn, sie versprechen noch größere Systeme, noch mehr [[Energie und Information|Energie]], noch mehr [[Macht und Technik|Macht]].
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Es scheint, als wohne der industriellen Großtechnik die Maßlosigkeit regelrecht inne - eine Maßlosigkeit, die nicht davor zurückschreckt, Millionen Menschen industriell zu "beseitigen" oder den gesamten Planeten in eine betonierte Müllhalde zu verwandeln. Damit unterscheidet sie sich gravierend von allen natürlichen Systemen, deren unglaubliche Fülle an Möglichkeiten, Variationen und Konzepten unsere Vorstellungskraft übersteigt.
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Auch wenn es der Technik nicht bedarf, um masslos zu sein: es scheint, als wohne der industriellen Großtechnik die Maßlosigkeit regelrecht inne - eine Maßlosigkeit, die nicht davor zurückschreckt, Millionen Menschen industriell zu "beseitigen" oder den gesamten Planeten in eine betonierte Müllhalde zu verwandeln. Damit unterscheidet sie sich gravierend von allen natürlichen Systemen, deren unglaubliche Fülle an Möglichkeiten, Variationen und Konzepten unsere Vorstellungskraft übersteigt.
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Das heisst nicht, das die Gleichungen [[Ist Technik böse?|''Natur=gut, Technik=schlecht'']] richtig sind. "Gut" und "Schlecht" sind Begriffe, die aus der menschlichen Kultur entstehen und nicht aus Naturgesetzen ableitbar sind. Sie beziehen sich auf Menschen, die handeln und Menschen, die behandelt werden. Die selbe Sache kann für den einen gut und für den anderen schlecht sein - ein Konflikt, der dem Leben selbst innewohnt und durch keine Technik, keine Naturwissenschaft  beseitigt werden kann. Aber die Vielfalt und Fülle der Natur und ihre gleichgültige Neutralität gibt dem einzelnen Lebewesen zumindest eine reelle Chance, diesen Konflikt für sich zu entscheiden.  
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Version vom 16:19, 27. Apr. 2020

In dem Buch Mythos der Maschine führt Lewis Mumford den Begriff der Fülle als eine wesentliche Charakteristik des Organischen ein. Fülle - das ist etwas von allem - im Gegensatz zur Maßlosigkeit die alles von etwas anstrebt. In der Technik ist Fülle eine seltene Erscheinung. Am ehesten findet man sie im Handwerk und in der Kunst, wo sie sich als Vielfalt kultureller Techniken zeigt, die mit den örtlichen Gegebenheiten, den kulturellen Rahmenbedingungen und den Möglichkeiten der Menschen variieren.

In den großen zentralistischen Gesellschaften - von den Pharaonenreichen bis in unsere modernen Industriestaaten - findet man dagegen überall das Prinzip der Maßlosigkeit: immer schneller, größer, stärker, mächtiger - immer mehr vom immer Gleichen - Standardisierung, Taylorismus, strikte Prozesse. Gewaltige Bauwerke, alles vereinnahmende technische Systeme - maßlos in ihren Dimensionen aber starr und eindimensional was ihre Funktionen und Aufgaben betrifft. Kraftwerke, so groß, dass sie Millionen Menschen gleichzeitig mit Energie versorgen können - aber auch Millionen Menschen in direkter Abhängigkeit an sich binden. Industrieanlagen die Milliarden gleiche Hamburger produzieren - mit dem immer gleichen Geschmack für Menschen die immer mehr essen und immer weniger schmecken. Da ist kaum Platz für neue Ideen, für Variationen, für Alternativen - es sei denn, sie versprechen noch größere Systeme, noch mehr Energie, noch mehr Macht.

Auch wenn es der Technik nicht bedarf, um masslos zu sein: es scheint, als wohne der industriellen Großtechnik die Maßlosigkeit regelrecht inne - eine Maßlosigkeit, die nicht davor zurückschreckt, Millionen Menschen industriell zu "beseitigen" oder den gesamten Planeten in eine betonierte Müllhalde zu verwandeln. Damit unterscheidet sie sich gravierend von allen natürlichen Systemen, deren unglaubliche Fülle an Möglichkeiten, Variationen und Konzepten unsere Vorstellungskraft übersteigt.

Das heisst nicht, das die Gleichungen Natur=gut, Technik=schlecht richtig sind. "Gut" und "Schlecht" sind Begriffe, die aus der menschlichen Kultur entstehen und nicht aus Naturgesetzen ableitbar sind. Sie beziehen sich auf Menschen, die handeln und Menschen, die behandelt werden. Die selbe Sache kann für den einen gut und für den anderen schlecht sein - ein Konflikt, der dem Leben selbst innewohnt und durch keine Technik, keine Naturwissenschaft beseitigt werden kann. Aber die Vielfalt und Fülle der Natur und ihre gleichgültige Neutralität gibt dem einzelnen Lebewesen zumindest eine reelle Chance, diesen Konflikt für sich zu entscheiden.


FülleMaßlosigkeit

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