Kausalität
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Kausalität ist eines der wesentlichen Prinzipien in der Technik: keine Wirkung ohne Ursache. Um Technik systematisch planen und entwickeln zu können muss der Mensch die genauen Zusammenhänge zwischen Wirkung und Ursache kennen.
Dass er dazu überhaupt in der Lage ist, ist übrigens kein Wunder: unser Gehirn kann garnicht anders, als in kausalen Zusammenhängen zu denken. Ständig interpretieren wir unsere Umwelt und suchen sie instinktiv nach Wirkungsketten ab. Damit sind wir nicht alleine. Jedes lernfähige Lebewesen besitzt die mehr oder weniger ausgeprägte Fähigkeit, kausale Zusammenhänge zu erfassen und zu "verinnerlichen". Ohne diese Fähigkeit wären die meisten höheren Lebewesen nicht lebensfähig.
Ein Unterschied zwischen Menschen und allen anderen Lebewesen dürfte die Länge der Wirkungsketten sein, die wir instinktiv nachvollziehen können. Beim Menschen sind das etwa 5 - 9 Schritte - je nach Begabung. Aber auch die klügsten Menschen sind hier limitiert. Damit wir trotzdem viel kompliziertere Zusammenhänge verarbeiten können, müssen wir Tricks anwenden: wir müssen Kausalketten vereinfachen und zusammenfassen. Hier hilft uns z.B. die Mathematik.
Das führt aber auf ein Problem: Komplizierte Zusammenhänge sind nicht mehr direkt verstehbar. Man muss sich mühsam durch viele Gedankenschritte, Vereinfachungen, Umwandlungen und Zusammenfassungen quälen, um sich von der Wirkung zurück zur Ursache zu arbeiten. Zwischen dem Halbleitereffekt eines Siliziumstückchens und dem Funktionieren eines Mobiltelefons liegt ein langer Weg.
Für den einzelnen bleibt da nur noch das Vertrauen in die Spezialisten, die diese Ursache-Wirkungsketten über Jahrzehnte abarbeiten. Technik und Wissenschaft ist dann nur noch Glaubenssache. Das geht soweit, dass nicht einmal die Wissenschaftler und Techniker selbst den Überblick haben. Sie müssen auf die Vorarbeit der anderen vertrauen. Immerhin: bei direkten Kausalketten ist eine Überprüfung jederzeit möglich - auch wenn sie etwas länger dauert.
Aber nicht alles hat nur eine Ursache und nicht jede Ursache hat eine Wirkung. Viele Systeme sind komplex, d.h. sie sind auf vielfältige Art und Weise ineinander verschachtelt. Ursachen wirken zurück und voraus, manchmal verzögernd und manchmal beschleunigend. Wie schwierig es ist, das Verhalten solcher Systeme aus Kausalketten abzuleiten beweist täglich der Wetterbericht. Das heißt nicht, dass sich solche Systeme nicht kausal verhalten - es gibt nur soviele Wirkungszusammenhänge und die sind auch noch auf so komplexe Weise mit einander verwoben, dass sie sich jeder vereinfachten Beschreibung verweigern.
Theoretisch ist der Lauf der Welt bis ins letzte vorherbestimmt - würde man jedes Detail dieser Welt kennen und verarbeiten können. Ganz praktisch aber besitzt die Welt genügend Komplexität, um jede Kausalkette zu sprengen und Platz für Chaos und Zufall zu schaffen. Da passt dann vielleicht - trotz aller Determiniertheit - der freie Wille des Menschen in eine kleine Lücke.
Wie tief das Bedürfnis ist, kausale Zusammenhänge und Sinnhaftigkeit in unserer Umwelt aufzuspüren, zeigt ein Experiment, das Paul Watzlawick in seinem Buch Wie wirklich ist die Wirklichkeit beschreibt: einer Ratte wird in einem Käfig über eine Einrichtung Futter bereitgestellt. Allerdings fällt nur dann Futter aus dem Napf, wenn die Ratte später als 10 Sekunden nach Betreten des Käfigs den Futternapf erreicht. Natürlich laufen alle Versuchstiere zunächst schnurstracks zum Napf und erwarten ihr Futter. Da sie aber die 10 Sekundenfrist nicht eingehalten haben, gibt's erstmal nichts. Also wenden sich die Ratten einer anderen Beschäftigung zu und siehe da - nach 10 Sekunden fällt Futter in den Käfig. Unter diesen Rahmenbedingungen entwickeln die Versuchsratten eigenartige "Rituale". Egal was sie gerade zum Zeitpunkt der Futtergabe getan haben: sie stellen einen kausalen Zusammenhang zwischen dieser Handlung und der Futtergabe her - und wiederholen die Tätigkeit um zukünftig Futter zu erhalten.
Wie die Maus - die zwischen ihrem Tanz und der Futterspende einen Zusammenhang glaubt - ergeht es auch so manchen Wissenschaftlern. Besonders Ökonomen, Soziologen und Psychologen aber auch Mediziner arbeiten gerne mit der sogenannten Korrelation um vermeintliche Kausalitäten aufzuspüren. Leider verwechseln sie Korrelation und Kausalität häufig und werden zu Kreuzrittern ihrer Glaubenssätze.