Wie aus Neuronen ein Gehirn wurde
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- Differenziertes Erkennen der Umgebung
- Differenzierung von Partnern, Feinden, Opfern, Freunden
- Differenzierte Erkennung von Bewegungs- und Verhaltensmustern
- Kommunikation über Verhaltens- und Bewegungsmuster
- Kommunikation mit dem "ICH"
Inhaltsverzeichnis |
Anlass
Die Fragen nach der Entstehung des menschlichen Geistes sind bis heute nicht beantwortet. Allerdings wurden durch unterschiedlichste Forschungsbereiche vielfältige Spuren und Indizien zusammengetragen, die uns erlauben erste schemenhafte Skizzen eines "Gehirnmodells" zu entwerfen. Die folgenden Gedanken beruhen nicht auf detailliertem Wissen über neurobiologische und biochemische Zusammenhänge. Sie sind abgeleitet aus einigen Grundannahmen:
- neuronale Strukturen berechnen nicht, sondern bilden Eingangsmuster in Ausgangsmuster ab, wobei ähnliche Eingangsmuster zu gleichen Ausgangsmustern führen
- Strukturen und Funktionen des Gehirns wurden nicht geplant, sondern entspringen einem einheitlichen Grundkonzept, das lediglich immer feiner modifiziert wurde
- die Entwicklung des Gehirns unterliegt einem evolutionären Prozess in dem die verschiedenen Entwicklungsstufen unseres Gehirns in sehr feinen Schritten entstanden
- die verschiedenen Entwicklungsstufen müssen sich bei anderen Lebensformen, die diesen Entwicklunsstufen entsprechen, wiederfinden lassen
- die Entwicklung des Gehirns muss aus seiner Struktur und Funktionalität ableitbar sein
- Bewusstsein ist eine Eigenschaft aller höher entwickelten Lebewesen
Ohne auf Einzelheiten einzugehen, lässt sich aus diesen Annahmen eine Entwicklung ableiten, die im folgenden kurz skizziert wird.
Wahrnehmung physikalische Reize und Muster
Die ersten neuronalen Strukturen finden wir bereits in sehr primitiven Lebewesen. Dabei lassen sich 3 grundsätzliche Zellen unterscheiden:
- sensorische Zellen die auf Reize aus der Umwelt (oder dem Inneren des Lebewesens reagieren)
- Verbindungszellen (Neuronen), die Signale weiterleiten und modifizieren
- motorische Zellen, die auf Reize durch Neuronen reagieren
Diese Strukturen erlauben es einem Lebewesen, Informationen über den Zustand der Umgebung (oder den eigenen Zustand) zu erfassen, auszuwerten und daraus ein spezifisches Verhaltensmuster abzuleiten. Diese Fähigkeiten finden sich in allen komplexen, vielzelligen Lebewesen - auch beim Menschen. Die neuronalen Strukturen sind fest verknüpft und äußern sich in Reflexen und instinktiven Handlungen, die durch bestimmte Reizmuster ausgelöst werden. Dabei sind durchaus komplexe Handlungsmuster möglich, wie bereits bei einfachen Insekten - etwa einer Fliege - beobachtet werden kann. Welche Handlungsmuster durch welche Reizmuster ausgelöst werden hängt ausschließlich von der Verschaltung der sensorischen Zellen mit den motorischen Zellen ab, wobei ein zwischengeschaltetes neuronales Netzwerk komplexe Modifikationen erlaubt. So ist eine Fliege durchaus imstande, eine andere Fliege von einem Kieselstein zu unterscheiden oder komplexe Flugmanöver im Raum auszuführen. Dabei müssen die dahinter liegenden Regeln nicht unbedingt kompliziert sein, wenn die Reize spezifisch genug sind. So genügt eine einfach optische Mustererkennung, wenn mögliche Geschlechtspartner durch eindeutige Farbmuster gekennzeichnet sind.
Die Verarbeitung von umweltbedingten Reizmustern erlaubt auf diese Weise bereits eine differenzierte Unterscheidung von Freund, Opfer oder Feind: allerdings nur dann, wenn diese Reizmuster nicht allzusehr variieren. Tun sie das, so führt eine unveränderliche neuronale Verschaltung nicht weiter.
Modifikation von Verhaltensmuster durch ein Gedächnis
Wenn Reizmuster aus der Umwelt trotz gleicher Ursache variieren können, ist es hilfreich frühere Reizmuster zum Vergleich heranziehen zu können oder fest verankerte Reizmuster zu modifizieren. Dies erlaubt z.B. eine differenziertere Unterscheidung der Umgebung auch wenn diese sich verändert und ein differenzierteres Verhalten.
Eine mögliche Lösung für diese Aufgabe besteht darin, dem fest verschalteten Netzwerk ein paralleles, veränderbares Netzwerk hinzuzufügen. Der fest verschaltete Teil bleibt erhalten, übernimmt aber lediglich einige Grundfunktionen.
Das parallele Netzwerk erhält ein ähnliches Reizmuster wie der angeborene Teil und bildet daraus ein Ausgangsmuster, das auf das Ausgangsmuster des fest verschalteten Netzwerks einwirken kann. Durch diese "Schaltung" lassen sich Reaktionen auf Reizmuster modifizieren. In diesem Fall sind im angeborenen Teil feste "Verhaltensmodule" abgelegt (z.B. Greifreflex, Zucken bei Schmerz u.a.). Abhängig von den Reizen aus Umwelt (und Körper) modifiziert und kombiniert der Gedächtnisteil diese Reflexe so, dass sie zum gewünschten Ergebnis führen und bewahrt diese Kombination dauerhaft, wenn sie sich als "sinnvoll" erweisen. Für die Entscheidung, ob ein Verhalten "sinnvoll" war, müssen sich übrigens im fest verschalteten Netzwerk Strukturen für Vergleiche und Bewertungen herausgebildet haben. Sind sie dort vorhanden, können auch sie durch ein paralleles "Wertegedächnis" modifiziert werden. Mit dieser einfachen "Konstruktion" ist bereits ein sehr plastisches, lernendes Gebilde entstanden.
Bereits Bienen verfügen über eine sehr rudimentäres Gedächtnis, das ihnen erlaubt, eine Information über die Position von Honigquellen mit zeitlicher Verzögerung an andere Arbeiterinnen im Bienenstock weiterzugeben (mit dem "Schwänzeltanz"). Dies zeigt, dass bereits in sehr einfachen neuronalen Strukturen modifizierbare Teile vorhanden sein können.
Höhere Lebewesen müssen grundlegende motorische Abläufe (Laufen, Greifen, Fliegen) immer "erlernen" - d.h. sie müssen das Bewegungsmuster ein paarmal ausführen und solange modifizieren, bis es genügend präzise abläuft. Während sie die grundlegenden Reflexe (z.B Bein strecken und beugen) sofort ausführen können, muss der koordinierte Gesamtablauf eingeübt werden, damit er im motorischen Gedächnis verankert ist. Irgendwann geht das Laufen dann "automatisch" als wäre die Fähigkeit angeboren.
Damit ist diese Form des Gehirns bereits in der Lage, das eigene Verhalten den äußeren Gegebenheiten anzupassen. Es benötigt aber immer äußere Reizmuster (bzw. Reize aus dem eigenen Körper) und ein zumindest teilweise angeborenes "Wertesystem" um diese Anpassungen dauerhaft zu bewahren. Die bewahrten Muster im Gedächnis erlauben dann die notwendige Modifikation der angeborenen Verhaltensmuster. Mit dieser Konstellation können Muster aus unsere Umwelt und aus unserem Körper wahrgenommen und gespeichert werden: die Grundlage für "Fühlen".
Kontrolle des Gedächnisses durch Bewusstsein
Die bisher beschriebene Struktur ist zwar in der Lage, Verhaltensmuster an von außen eintreffende Reizmuster anzupassen und in entsprechenden Situationen abzurufen - sie erlaubt aber noch nicht die "Wahrnehmung" des eigenen Gehirnzustands. Bisher werden nur Reize von außerhalb des Gehirns verarbeitet und mehr oder weniger modifiziert an den motorischen Teil weitergegeben.
Um den inneren Zustand des Gehirns "wahrnehmen" und nutzen zu können, muss eine weiter Ebene eingeführt werden, die nicht direkt mit den reizgebenden Nerven, sondern mit dem modifizierbaren Gedächnisbereich verknüpft ist. Dieses zusätzliche Netzwerk ist mit dem Gedächnisbereich auf die gleiche Weise verbunden, wie der fest verschaltete Teil und erhält ein entsprechendes neuronales Muster als Eingang. Es ist damit in der Lage, die Wirkung des Gedächnisses auf die Steuerung unseres Verhaltens zu spiegeln.
Diese "Bewusstseinsschaltung" entspricht hinsichtlich seiner Struktur und Funktion den bereits vorhandenen Systemen, erfordert also keine neue "Technik". Statt direkter Signale von Sinneszellen erhält dieses Netzwerk seine Eingangssignale aus dem Gedächtnis. Seine Ausgangsmuster haben keine direkte Wirkung auf den Körper. Sie bilden lediglich ein zusätzliches Eingangsmuster für das Gedächtnis. Damit erlaubt diese "höhere" Ebene ein virtuelles Abbild unseres Körpers und der angeborenen neuronalen Ebene und gleichzeitig die Erzeugung von virtuellen Sinnesreizen auf das Gedächtnis. Je nach Zustand können dabei reale Sinnesreize aus der Umwelt oder ausgehende Verhaltensmuster an den Körper blockiert werden. Das Gehirn kann so innere Zustände abbilden, verarbeiten und "wahrnehmen", ohne das dies einen direkt messbaren Einfluss auf unser Verhalten hat - wohl aber auf die Struktur des Gedächtnisbereichs.
Die Wahrnehmung unseres "Gehirnzustands" ist aber genau das, was wir als Bewusstsein empfinden.
Diese Schaltung würde auch erklären, warum zwischen bewusster Wahrnehmung und tatsächlicher Handlung eine winzige zeitliche Differenz besteht. Damit unser Gehirn ein Verhalten auslöst, muss das Ausgangsmuster des Gedächtnisses zusammen mit dem des angeborenen Netzwerks an die motorischen Systeme weitergeleitet werden. Die "Freischaltung" geschieht in diesen beiden Netzwerken. Die Bewusstseinsebene erhält dieses Signalmuster und leitet es - zeitlich verzögert und modifiziert - zurück zum Gedächtnis, wo es dann als Reizmuster "wahrgenommen" wird. Trotz der Verzögerung und dem zusätzlichen neuronalen Aufwand hat diese zusätzliche Ebene Vorteile. Sie erlaubt die "Simulation" von Sinneswahrnehmungen auf Grundlage des Gedächtnisses - also eine rudimentäre Form von Gedanken. Mit dem übergeordneten Netzwerk kann dem Gedächtnis ein Reizmuster zugeleitet werden, dass dann zu einem Ausgangsmuster verarbeitet wird und der übergeordneten Ebene wieder als Eingangsmuster zurückgeführt wird. Das Gehirn kann so Verhalten "simulieren".
Weiterhin erlaubt diese zusätzliche Ebene die Simulation von "inneren" Zuständen auf der Grundlage von Sinneswahrnehmungen und damit eine erste Form von Empathie. Das Gedächtnis verarbeitet die eingehenden Sinneswahrnehmungen, leitet sie aber nicht an die motorischen Systeme sondern an das "Bewusstseinsnetzwerk".