Ehre wem Ehre gebührt
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Version vom 18:13, 18. Apr. 2019
Der Beginn des 21. Jahrunderts wird begleitet vom Aufkeimen des Ehrbegriffs in alten, überkommen geglaubten Verbindungen zu Nation, Ethnie, Religion und Tradition. Das weiße Amerika will seine Ehre durch neue Größe wieder herstellen. Russland grenzt sich von den ehrlosen, dekadenten Europäern ab - ebenso die Engländer, Ungarn, Polen. Konservative - oder besser reaktionäre Ideen breiten sich unaufhaltsam über den Erdball aus. Angebliche Traditionen werden aus den Gräbern der Geschichte gegraben, um sie mit propagandistischem Zauberwerk zu reanimieren.
Junge Männer plappern von der Ehre ihrer Väter, Mütter, Schwestern, Brüder. Sie beschwören - das Smartphone als neuen Faustkeil in den Händen - 100.000 Jahre alte Traditionen, die in den tschetschenischen Bergen, türkischen Steppen, germanischen Wäldern oder sibirischen Weiten - vielleicht - vor langer Zeit einmal sinnvoll waren, in einer modernen Industriegesellschaft aber an jeder Straßenecke mit der neuen Wirklichkeit von technischem Fortschritt, Globalisierung und Neo-Liberalismus kollidieren.
Sie schützen die Ehre oder fordern Respekt mit Faust, Messer oder Sprengstoff. Ehre und Respekt werden - wie in archaischen Zeiten - an das Schweigen, Erdulden und den Gehorsam der Anderen geknüpft. "Schnautze oder ich schlag dir in die Fresse" - das ist die neue alte Logik der Selbstbehauptung in einer Welt, die von technologischen Gadgets geflutet wird, in der die Menge des Wissens und die Zahl verfügbarer Informationen explodieren.
Amok und Ratio prallen aufeinander.
Anscheinend ist die Moderne für viele, sehr viele Menschen mehr Zumutung als Anlass zum Optimismus. Verloren und überfordert suchen sie nach Halt, nach Bestätigung der eigenen Würde, die ihnen doch laut allgemeinen Menschenrechten zusteht.
Als kleiner Beobachter vermag ich diesen Konflikt zwar zu erkennen - eine Lösung bleibt aber im Nebel der Zukunft verborgen. Hätte man in den 20iger Jahren des letzten Jahrtausends ahnen können, dass trotz blühender Wissenschaft und Kunst, trotz der erschütternden Erfahrungen des 1. Weltkriegs, trotz fortschreitender Industrialisierung und technischem Fortschritt barbarische Zeiten vor der Türe standen.