Globale Nomaden
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Heute ist China selbst ein globaler Player geworden und agiert als globaler Nomade - zum Leidwesen des "guten" Westens. | Heute ist China selbst ein globaler Player geworden und agiert als globaler Nomade - zum Leidwesen des "guten" Westens. | ||
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Version vom 14:17, 8. Okt. 2020
In dem Buch "Wer regiert die Welt" geht der Autor Ian Morris der Frage nach, warum die westlichen Gesellschafften so sehr die globalen Verhältnisse dominieren und nicht etwa China. Europa und China waren zu Beginn der Zeitrechnung auf ähnlich hohem Niveau: im Westen das alles dominierende römische Reich - im Osten das chinesische Kaiserreich mit einer langen Geschichte.
Morris weist in seinem Buch auf den Einfluss der Nomadenvölker im Nordosten des eurasischen Kontinents. Sie stellten sowohl für China als auch später für Europa eine enorme Bedrohung dar. Mit ihrer Schnelligkeit und rücksichtslosen Plünderungsstrategie zerstörten sie immer wieder mühsam aufgebaute Strukturen und warfen die Kulturen in ihrem Einflussgebiet immer wieder zurück: Europa, der Orient, China - alle litten unter den wiederholt einfallenden Horden, die Zerstörung, Versklavung, Krankheiten und Plünderung mit sich brachten.
Erst durch die Bildung des russischen Zarenreichs wurde der Einfluss der Nomadenstämme auf Europa eingedämmt.
Morris zieht den Schluss, dass erst durch die Eindämmung der Nomadenstämme der enorme Entwicklungsschub in Europa nach dem 15. Jh. möglich wurde, während China weiterhin darunter litt bzw. durch die Bedrohung zur Isolation gezwungen war.
Schaut man sich die aktuelle globalen Wirtschaftsprozesse an, so scheint es eine Rückkehr der Nomadenhorden zu geben: Investoren, die über Milliarden verfügen, können in fremde Länder einfallen, dort Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu ihren Gunsten manipulieren und destabilisieren. Sobald sie ihren Profit aus der Aktion gezogen haben, verschwinden sie wieder und hinterlassen Chaos und Zerstörung.
Nomadentum ist geprägt durch fehlende Bindung an lokale Strukturen, durch eine hohe Mobilität. Es gibt kein an Orten verankertes Eigentum. Man kann heute hier und morgen dort aggieren. Damit sind Nomaden dem sesshaften Bauern, Handwerker oder Fabrikanten gegenüber im Vorteil. Diese können nicht ohne große Verluste ihren Standort wechseln. Sie müssen Arbeit, Zeit und Ressourcen einsetzen, bevor sie sicher sein können, dass ihr Handeln Erfolg hat, die Ernte gelingt, das hergestellte Produkt am Markt bestehen kann.
Dem gegenüber kann ein Nomade dem Sesshaften Dinge von Wert abnehmen und verschwinden. Nokia geht nach Bochum - kassiert und verschwindet nach Rumänien.
Vielleicht ist das auch der Grund, warum China im 20. Jahrhundert aufholen konnte: durch eine restriktive Abschottung und autokratische Gesellschaft, in der der Einzelne nichts zählte, hielt es die Wirtschaftsnomaden fern und konnte sich - wenn auch mit Schmerzen - entwickeln. Wir mögen diese Vorgehensweise aus der egozentrischen Sicht eines "modernen" Europärs für unmenschlich erachten, indem wir unsere eigenen Untaten ausblenden - aber welche Alternative können wir "Guten" den Schwellenländer anbieten?
Heute ist China selbst ein globaler Player geworden und agiert als globaler Nomade - zum Leidwesen des "guten" Westens.